"Analyse ist die Zwangsneurose der modernen Gesellschaft."

© BILANZ 17/12 28.09.2012

Chemisch-pharmazeutische Produkte bestreiten mittlerweile rund 40 Prozent der Exporte – auch dank dem starken Franken.

Seit 2008 hat sich der Franken ­gegenüber dem Euro um etwa 30 Prozent aufgewertet. Doch auf die aggregierten Zahlen des Aussenhandels der Schweiz hatte diese Aufwertung bis heute keinen Einfluss. Seit 2010 exportieren wir in jedem Quartal (bis Juni 2012) Güter im Wert von 48 bis 50 Milliarden Franken und importieren Güter im Wert von 42 bis 44 Milliarden, woraus sich ein schöner Handelsüberschuss von jeweils etwa 6 Milliarden Franken ergibt. Das ist doch ziemlich erstaunlich. Da werden Güter einfach um 30 Prozent teurer, und trotzdem bleibt die Nachfrage konstant.

Schaut man sich die Zahlen genauer an, sieht man allerdings einen sich rasch vollziehenden Wandel. Der starke Schweizer Franken bewirkt, dass zunehmend hoch spezialisierte Güter exportiert werden, bei denen nicht in erster Linie der Preis, sondern die Qualität eine Rolle spielt. Umgekehrt geht der Export von leicht substituierbaren Massen- und Industrieprodukten immer mehr zurück. Die Qualität der ­Produkte aus bestimmten Branchen lässt sich dabei indirekt am sogenannten Unit Value, dem durchschnittlichen Preis der Exportgüter pro Gewichts­einheit, ablesen. In keinem anderen Land ist dieser Unit Value der Exporte auch nur annähernd so hoch wie in der Schweiz, wo er im Jahr 2010 gemäss der Credit Suisse einen Wert von 12.40 Franken pro Kilo erreichte. Beim ehemaligen Exportweltmeister Deutschland liegt der Unit Value der Exporte hingegen nur bei knapp vier Franken pro Kilo, und im Rest der Welt ist er noch geringer.

Unterscheiden wir zwischen einzelnen Exportbranchen, dann zeigen sich extreme Unterschiede. Bei Uhren beträgt der Unit Value unglaubliche 9932 Franken pro Kilo, in der Medizintechnik rund 480 Franken und in der Pharmaindustrie rund 340 Franken. In der Kunststoff-, Metall- oder Nahrungsmittelindustrie liegt der Wert hingegen deutlich unter dem Schnitt von 12.40 Franken pro Kilo. Diese grossen Differenzen beim Unit Value ­bewirken ganz unterschiedliche Reaktionen auf die Erstarkung des Schweizer Frankens. Der Export von Gütern mit einem hohen Unit Value erweist sich gegenüber der Aufwertung des Schweizer Frankens als weit­gehend immun. Auch im ersten Halbjahr 2012 hat der Export von pharmazeutischen Produkten weiter zugelegt, und der Export von Uhren ist um ­geradezu sagenhafte 16,4 Prozent angestiegen. Dagegen verzeichnen die traditionellen Exportgüter wie Kunststoffe, Metalle, Textilien oder Papier, wo der Unit Value gering ist, starke Rückgänge.

Was die Stärke des Frankens tatsächlich bewirkt, ist somit eine ­beschleunigte Umstrukturierung des Schweizer Aussenhandels. Chemisch-pharmazeutische Produkte machen mittlerweile rund 40 Prozent der gesamten Exporterlöse aus und sind zum dominierenden Export­schlager der Schweiz geworden. Noch 1990 lag ihr Anteil erst bei 20 Prozent, während der Anteil der Maschinen- und Elektronikindustrie damals bei rund 30 Prozent lag. Dieser Anteil ist mittlerweile auf 17 Prozent der ­Exporterlöse geschrumpft. Auf 10 Prozent der Exporterlöse bringt es unterdessen auch der Spitzenreiter beim Unit Value, die Uhrenindustrie, die seit der Erstarkung des Schweizer Frankens deutlich zugelegt hat.

Der starke Franken führt also dazu, dass zunehmend qualitativ hochstehende Produkte aus der Schweiz exportiert werden. Diese Entwicklung macht den Schweizer Aussenhandel in seiner Gesamtheit unabhängig vom Wert des Frankens, und wir können auch mit einem starken Franken leben.