"Political Correctness hat aus der Lüge eine Tugend gemacht."

© BILANZ 12/11 17.06.2011

Griechenland geht nicht bankrott. Doch die Rettung werden die Südeuropäer teuer bezahlen – mit einem Ausverkauf ins Ausland. 

Rein zahlenmässig sieht es für Griechenland zurzeit nicht gut aus. Auf rund 330 Milliarden Euro belaufen sich die gigantischen Schulden des Wirtschaftszwerges im Südosten Europas, die damit das Anderthalbfache des griechischen Bruttoinlandprodukts ausmachen. Die Ratingagentur Moody’s hat die Bonität Griechenlands auf «Caa1» zurückgestuft (extrem schlechte Kreditqualität), ­sodass griechische Staatsanleihen zuletzt mit Risikoaufschlägen von 26 Prozent gehandelt wurden. Die daraus resultierenden Zinsen von knapp 30 Prozent kann Griechenland nicht mehr bezahlen. 

Trotz diesen miserablen Werten soll hier aber Entwarnung gegeben werden: Griechenland wird nicht bankrottgehen. In diesem Fall gäbe es nämlich praktisch nur Verlierer, und daran besteht kein Interesse. So wurde inzwischen ein gewaltiges Sanierungsprogramm in Gang gesetzt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bereits einen erheblichen Teil der griechischen Staatsschulden aus dem Verkehr gezogen, indem sie diese entweder den Banken ­abgekauft oder direkt am Markt erworben hat. Bis Ende Mai 2011 wurden auf diese Weise Staatsschulden im Umfang von 75 Milliarden Euro bei der EZB entsorgt und unschädlich gemacht.

Möglich wurde dieser massive Aufkauf dadurch, dass die EZB einfach die normalerweise geltenden Bonitätsanforderungen für Staatspapiere durch Ausnahmeregelungen ausser Kraft setzte. Darin besass sie bereits Routine. Schon während der jüngsten Finanzkrise im Jahr 2008 hatte die EZB unter Führung von Jean-Claude Trichet ihre normalerweise geltenden Bonitätsanforderungen ignoriert, um den Geschäftsbanken einen Teil von deren auf uneinbringbaren Hypothekarforderungen beruhenden Wertpapierschrott (sogenannte Asset Backed Securities) abzukaufen. Und dieses ­Einkaufsprogramm konnte man nun mit den griechischen Staatsschulden einfach fortsetzen.

Kein Wunder deshalb, dass sich die EZB selbst gegen Umschuldungsmassnahmen zur Wehr setzt. Eine solche Umschuldung würde den Wert der bereits aufgekauften Staatsanleihen empfindlich schrumpfen lassen, und die EZB stünde dann aufgrund der damit verbundenen Verluste am Pranger. Deshalb sieht sie es lieber, wenn bei den bisherigen Schulden die Laufzeiten verlängert oder neue Kredite vergeben werden, sodass die alten Schulden grossenteils doch zurückbezahlt werden können. Zuständig für diese Kredite sind zwei weitere Institutionen, der EU-Stabilitätsfonds sowie der IWF, deren Kreditvergaben allerdings an gewisse Bedingungen geknüpft sind.

Diese Bedingungen werden allerdings gravierende Folgen haben. De facto zwingen sie den griechischen Staat dazu, einen grossen Teil des Staatseigentums über sogenannte Privatisierungen zu verramschen. Zwar hilft dies, kurzfristig den Staatsbankrott abzuwenden, doch diese unüberlegten Privatisierungsschnellschüsse werden auch in Griechenland zu «russischen Zuständen» führen. Dort war nach dem Ende des Kommunismus das Staatseigentum zu Discountpreisen käuflich erwerbbar, was den Aufstieg der heute berühmt-berüchtigten Oligarchen ermöglichte. Immerhin waren es in diesem Fall aber noch Landsleute, die sich die staatlichen Unternehmen und Immobilien unter den Nagel rissen, während es in ­Griechenland wohl grossenteils Ausländer sein werden. Freude wird das keine machen.