"Wirklich wichtige Fragen zeichnen sich dadurch aus, dass es keine Antwort auf sie gibt."

Von Mathias Binswanger

Das Jahr 2008 hat den Aktionären wenig Freude bereitet. Bis Oktober sind die Kurse an allen wichtigen Börsen drastisch eingebrochen und November und Dezember dümpelten sie auf tiefem Niveau vor sich hin. Im Vergleich zu den Höchstständen im Jahre 2007 haben der Swiss Market Index, der Deutsche Aktienindex und auch der Dow Jones mehr als 40 Prozent an Wert eingebüsst. Da würde man natürlich gerne wissen, ob es jetzt endlich zur Trendumkehr kommt und die Kurse wieder steigen, damit die langfristig erwarteten positiven Renditen auch Realität werden.

Leider kann diese so wichtige Frage niemand beantworten. Aus einer mittlerweile gut 200-jährigen Erfahrung mit an der Börse gehandelten Aktien wissen wir zwar, dass Aktien langfristig eine reale Rendite von etwa 7 Prozent erwirtschaften. Doch was heisst langfristig? Wenn jemand zum Beispiel 1929 auf dem Höchststand der Börse kurz vor dem Crash die Entscheidung traf, sein Geld in Aktien zu stecken, dann musste er 69 Jahre, das heisst bis 1998 warten, um tatsächlich auf die durchschnittliche Jahresrendite von 7 Prozent zu kommen. Und es ist zu vermuten, dass Anleger, welche 1989 ihr Geld an der Japanischen Börse beim Höchststand investiert haben, ihr irdisches Dasein ohne positive Rendite beenden werden.

Für einen Anleger mit einem Anlagehorizont von unter 20 Jahren sind langfristige Durchschnittsrenditen ziemlich irrelevant. Eine Studie von 16 wichtigen Börsen über das letzte Jahrhundert hat ergeben, dass man nur in fünf der untersuchten 16 Länder sicher sein konnte, bei einer Anlage des Geldes für 20 Jahre überhaupt eine positive Rendite zu erzielen. Es kommt also sehr darauf an, im richtigen Moment an der Börse ein- und auszusteigen. Doch genau das ist die grosse Schwierigkeit. Es gibt keine Indikatoren, die einem eindeutig sagen, wann die Börse einen Tiefstwert und wann sie einen Höchstwert erreicht hat.

Grundsätzlich sieht es im Moment nicht schlecht aus. Geld ist reichlich vorhanden (auf dem Geldmarkt geparkte Vermögen sind auf Rekordhöhe) und billig (tiefe Zinsen). Und auch die Aktienpreise sind relativ tief. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt in den USA momentan bei 12, während der langfristige Durchschnitt etwa 15 beträgt. Doch trotzdem zögern die meisten Investoren, denn es könnte ja zwischenzeitlich noch schlimmer kommen. Im schlechtesten Jahr (1921) sank das Kurs-Gewinn Verhältnis nämlich bis auf 5. Also wartet der Anleger auf ein eindeutiges Signal, welches genau deshalb nicht erfolgt, weil alle andern auch warten.

Für die Mehrheit der Grossaktionäre hält sich die persönliche Tragik dieser Ungewissheit allerdings in Grenzen. Diejenigen die am meisten Aktien besitzen, brauchen das Geld nämlich am allerwenigsten und vererben einen Grossteil ihres Aktienvermögens an die nächste Generation. Und die kommt dann irgendwann doch noch auf die 7 Prozent Durchschnittsrendite.