"Unternehmen verstehen unter freiem Wettbewerb die Freiheit, den Wettbewerb durch Erlangung einer marktbeherrschenden Stellung zu eliminieren."

©  BILANZ 09/13 11.05.2013

Ausländische Anleger zahlen heute dafür, ihr Geld in «Eidgenossen» investieren zu dürfen. Als so sicher taxieren sie unseren Finanzplatz.

Nominale Zinsen oder Renditen können nicht unter null sinken. Dieser Grundsatz gehörte lange zu den allgemein anerkannten Lehrbuchweisheiten. Denn warum sollten vernünftige Menschen oder Institutionen ihr Geld anlegen und dafür auch noch etwas zahlen, wenn sie ohne Kosten Bargeld halten können? Diese Lehrbuchweisheit gilt heute nicht mehr. Seit 2011 sind negative ­nominale Renditen für Anleihen des Bundes in der Schweiz zum Normalfall geworden.

Warum empfinden es Investoren offenbar als ­Privileg, dem Schweizer Staat Geld ausleihen zu ­dürfen? Die Antwort lautet: wegen der Sicherheit. In einer Welt, in der viele Währungen und Anlagen ­inklusive Staatsanleihen als unsicher gelten, werden sichere Anlagen knapp und damit teuer. Und die weltweit ­sicherste Anlage ist nicht Gold, sondern eine Schweizer Bundesobligation. Dies bewirkt eine entsprechend hohe Nachfrage nach «Eidgenossen», deren Preise inzwischen so stark angestiegen sind, dass ­daraus negative Renditen resultieren. Drei­jährige Staatsanleihen erreichten 2012 Rekord­negativrenditen von minus 0,36 Prozent.

Der Bund ist quasi in der gleichen Situation wie Goldschmiede im 17. Jahrhundert in London, als Kaufleute damit begannen, Geld – vor allem Goldmünzen – gegen eine ­Prämie bei diesen Goldschmieden zu lagern, die ihnen dafür eine sichere Aufbewahrung garantierten. Damals wurde die Sicherheit vor allem durch Diebe bedroht, die es auf die gelagerten Goldbestände abgesehen hatten. Heute sind es hingegen nicht mehr Raubüberfälle, vor denen der Schweizer Staat mit seinen ­Anleihen Sicherheit bietet. Vielmehr kommt die ­Bedrohung von der ­Instabilität der Finanz- und Devisenmärkte und der Schuldenproblematik zahlreicher Staaten.

Ein Grossteil der in neuster Zeit gestiegenen Nachfrage nach Bundes­anleihen stammt also aus dem Ausland. Die Verschuldung der öffentlichen Hand gegenüber dem Ausland hat sich von 2011 bis Ende 2012 von 26 Milliarden auf 33 Milliarden erhöht. Die negativen Renditen sind der beste ­Beweis für die ungebrochene Attraktivität des Finanzplatzes Schweiz, die jetzt nicht mehr auf der Verschwiegenheit der Schweizer Banken, sondern auf der Sicherheit der Geldanlagen beruht.

Letztlich befindet sich die Schweiz heute in einer eigenartigen Situation. Einerseits profitieren der Finanzplatz Schweiz und insbesondere der Bund von Finanzkrisen und der Schuldenproblematik in andern Ländern. Je ­grösser die Unsicherheit auf den Finanzmärkten im Rest der Welt ist, umso höher werden die Nachfrage nach sicheren Anlagen und die Tendenz zu ­negativen nominalen Renditen in der Schweiz. Dies ist ein historisch fast einmaliges Privileg für den Bund, sich nicht nur gratis, sondern gar für eine Prämie zu verschulden.

Doch auf der andern Seite ist gerade die neue ­Attraktivität des Finanzplatzes Schweiz das Problem. Die in die Schweiz fliessenden Gelder ­bewirken einen stetigen Aufwertungsdruck für den Schweizer Franken, was sich letztlich negativ auf den Aussenhandel auswirkt. Aus diesem Grund ist die Schweizerische Nationalbank praktisch ­gezwungen, einen Mindestkurs für den Schweizer Franken festzulegen und die gesamte ­Geldpolitik diesem Ziel unterzuordnen. Als weltweit sicherster Hafen für ausländische Vermögen können wir uns keine flexiblen Wechselkurse mehr leisten.