"Analyse ist die Zwangsneurose der modernen Gesellschaft."

© SRF, Der Club, Dienstag, 27. März 2018, 22:20 Uhr
Die Städte verändern sich rasant: Quartiere werden aufgewertet, Familien durch Luxussanierungen vertrieben. Wer ist Schuld am Mangel preisgünstiger Wohnungen? Die Politik? Das Kapital? Die Yuppies? Muss man den Boden verstaatlichen oder in die Höhe bauen? In was für Städten wollen wir leben?
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Gentrifizierung oder in Zürich die «Seefeldisierung» sind in aller Munde. Die Mietpreise explodieren. Wird ein Quartier aufgewertet, verdrängen gutbetuchte die angestammten Bewohner. Ganze Bevölkerungsgruppen tauschen sich aus.

Gentrifizierungsgegner fürchten eine fehlende Durchmischung der Städte, soziale Verarmung und die Ghettoisierung der Quartiere. Sie wollen mehr staatliche Förderung von Genossenschaften. Boden und Häuser sollen keine Renditeobjekte mehr sein. Dies fordert auch die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen».

Hauseigentümer und Investoren kontern: Günstiges Wohnen an bester Lage sei kein Menschenrecht, der Markt soll es regeln.

Wie aber schafft man mehr Wohnraum? Die Millionen-Metropole mit Hochhäusern als Vorbild für die Schweiz? Oder soll man das Kleinräumige bewahren? Wie wollen wir wohnen?

Unter der Leitung von Barbara Lüthi diskutieren im «Club»:

Thomas Haemmerli, Filmemacher, Autor «Die Gentrifizierung bin ich. Beichte eines Finsterlings»

Jacqueline Badran, Nationalrätin SP/ZH

Hans Egloff, Nationalrat SVP/ZH, Präsident Hauseigentümerverband Schweiz

Mathias Binswanger, Glücksforscher, Professor für Volkswirtschaftslehre FHNW

Philippe Cabane, Städteplaner, Soziologe, Humangeograph

Anja Schulthess, Wohnungssuchende

Positionen:

Thomas Haemmerli: «Ich bin natürlich der Ober-Gentrifizierer, indem ich Wohnungen in der Altstadt von Tiflis, dem Hipster-Viertel von Mexico City und an Zürichs Weststrasse besitze. Aber Gentrifizierung ist nicht einfach negativ. Die Stadt Tiflis ist alt und brauchte das Geld.»

Jacqueline Badran: «Unser Immobilien- und Bodenmarkt ist mit Abstand der grösste volkswirtschaftliche Faktor, dem die Politik mehr Aufmerksamkeit und Schutz schenken muss. In einem idealen Land würde der Boden genauso wie das Wasser der Bevölkerung gehören.»

Hans Egloff: «Es ist kein Menschenrecht, an bester Lage in der Stadt zu wohnen.»

Mathias Binswanger: «Das eigene Haus bzw. die Eigentumswohnung war und ist das zentrale Glücksversprechen der Wirtschaft. Man hat uns erfolgreich eingeredet, dass wir zum Glück immer mehr Wohnraum und eine immer luxuriösere Ausstattung brauchen.»

Philippe Cabane: «Das Hochhaus könnte tatsächlich eine Lösung sein, wenn wir es so konzipieren, als wäre es ein gestapeltes Stadtquartier.»

Anja Schulthess: «Die Wohnungssuche in der Stadt Zürich ist für uns zum Vollzeit-Job geworden und in unserem Freundeskreis omnipräsent. Dass das potentiell beachtliche Mobilisierungspotential bezüglich bezahlbarem Wohnraum in der Stadt (insbesondere auch für Familien) nicht genutzt wird, beschäftigt mich.»