"Unternehmen verstehen unter freiem Wettbewerb die Freiheit, den Wettbewerb durch Erlangung einer marktbeherrschenden Stellung zu eliminieren."

Sonntag SZ
Von Mathias Binswanger

Wenn man die Meldungen zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Schweiz über die letzten Jahren anschaut, dann ist man manchmal nicht sicher, ob man sich in einem der reichsten Industrieländer oder einem Entwicklungsland befindet. Auf der einen Seite ist da von einem der weltweit höchsten Bruttonationaleinkommen pro Kopf, einem international führenden Finanzplatz, von international erfolgreichen Konzernen und von enormen Auslandsinvestitionen die Rede. Aber dann gibt es andere Meldungen, die einen Zweifeln lassen, ob wirklich alles mit rechten Dingen zugeht. So sind wir offenbar zu arm, um Geld in die Entwicklung unserer Bergregionen zu investieren. Händeringend versucht man ausländische Investoren davon zu überzeugen, bei uns doch etwas Entwicklungshilfe zu leisten. Und was war man froh, als der Grossinvestor Samih Sawiris aus dem reichen Ägypten sich bereit erklärte, etwas Geld in die arme Schweiz zu stecken, und ein Grossprojekt mit Hotels und Luxuswohungen für Andermatt präsentierte. Ja, man war so dankbar, dass man als Zückerchen für Sawiris sogar gewisse Gesetze (Lex Koller) ausser Kraft setzte, um damit der wirtschaftlichen Entwicklung des Urserentals eine Chance zu geben.

 

Aber nicht nur für die Entwicklung der Bergregionen, sondern auch beim Aufbau neuer Industrieanlagen fehlt es an finanziellen Mitteln. Eine ungeheure Euphorie herrschte deshalb im Freiburgischen Galmiz als der US-Pharmakonzern Amgen zu Beginn des Jahres 2005 bekannt gab, dort ein neues Werk zu errichten, welches über tausend neue Arbeitsplätze geschaffen hätte. Endlich war wieder eine so dringend benötigte Investition in Sicht, und natürlich war die Regierung auch in diesem Fall bereit, gesetzliche Hindernisse (Zonenplan) grosszügig zu missachten. Dumm nur, dass Umwelt- und Landschaftsschutzverbände gegen das Vorhaben protestierten, so dass es Amgen schliesslich vorzog, das Werk in Irland statt in der Schweiz zu errichten. Die Enttäuschung und die Wut über diese verpasste Jahrhundertchance war gross. Denn wann wird je wieder einmal ein Investor tausend Arbeitsplätze schaffen in einem Land, in dem die Arbeitslosenquote eine der -ähem- weltweit geringsten ist?

In vielen Gemeinden möchte man gerne mit der grossen Kelle anrühren und sich mit Luxusressorts und Grossunternehmen schmücken. Nur das Risiko dafür sollen bitteschön Ausländer übernehmen. Schweizer Grossinvestoren ziehen es stattdessen vor, Unsummen von Geld mit hochriskanteren Investitionen in verbriefte Hypothekarkredite aus den USA zu vernichten und wurden dafür bis 2008 wie Helden gefeiert. Die Diagnose für ein solches Verhalten ist klar. Sie lautet: Schizophrenie.